Wie bin ich zu dem Bild gekommen? 🤔 – An afternoon picknick – Editorial mit Couturier Andreas Stollnberger
1.Wien als semantischer Raum: Modefotografie im urbanen Kontext
Diese fotografische Arbeit, konzipiert im Rahmen einer Modekampagne für Andreas Stollnberger, begreift Wien nicht nur als geographischen, sondern als semantischen Raum, der sich durch Spannungen, Brüche und kulturelle Schichtungen definiert. Die Bildsprache verzichtet bewusst auf eine lineare oder affirmativ-stilistische Erzählung zugunsten einer Ästhetik der Ambivalenz.
2.Barock trifft Brutalismus: Ikonographische Gegenüberstellung in der Modefotografie
Das Projekt operiert mit einer ikonographischen Gegenüberstellung: die visuelle Rhetorik des Barock – Ausdruck höfischer Prachtentfaltung und performativer Repräsentation – wird in einen Dialog mit der rohen Monumentalität der Wotruba-Kirche gesetzt, einem Schlüsselwerk des österreichischen Brutalismus. Dieser Kontrast evoziert nicht nur unterschiedliche Epochenästhetiken, sondern verweist auf divergierende gesellschaftliche Ordnungen und Formen von Subjektivierung.

3.Extravaganz als strukturierendes Prinzip in Mode und Kultur
Extravaganz fungiert innerhalb dieser Konzeption nicht als oberflächliches Stilmittel, sondern als strukturierendes Prinzip einer diskursiven Gegenüberstellung. In ihrer etymologischen Wurzel als „Hinausgehen über das Gewöhnliche“ impliziert sie stets das Vorhandensein eines normativen Rahmens, den sie überschreitet und somit sichtbar macht. In diesem Sinne wird Mode hier nicht als autonomes Designobjekt inszeniert, sondern als semiotisches Vehikel, das soziale Codierungen, historische Referenzen und Identitätsdiskurse überlagert.
4.Kontrast zwischen Textilkunst und brutalistischer Architektur
Der Kontrast zwischen der dekorativen Textiloberfläche und der brutalistischen Architektur artikuliert ein Spannungsfeld, das die Dispositive von Repräsentation und Realität in Frage stellt. Mode erscheint damit nicht als ornamentale Ergänzung, sondern als kritisches Medium kultureller Reflexion.

5.Das Kleid als mobile Leinwand: Inszenierung von Identität in der Fotografie
In den vorliegenden Bildern verdichten sich diese theoretischen Setzungen zu einer bildhaften Dialektik. Das Kleid fungiert als mobile Leinwand – eine malerisch anmutende Oberfläche, die Natur und Geschichte gleichermaßen evoziert. Seine Platzierung inmitten einer von Beton dominierten Architektur verweist auf einen Antagonismus zwischen organischer Entfaltung und rationalistischer Reduktion.
6. Lichtführung, Bewegung und Subjektivität in der Modefotografie
Die Lichtführung, das Spiel mit dem natürlichen Umfeld sowie die gezielte Inszenierung von Bewegung und Blick erzeugen eine Atmosphäre, in der das Subjekt nicht passiv dargestellt, sondern als aktiv imaginierende Instanz verhandelt wird. Die Serie liest sich somit als visuelles Essay über die kulturelle Konstruktion von Identität, das mit Mitteln der Modefotografie komplexe Diskurse über Erinnerung, Raum und Gender performativ sichtbar macht.

So entsteht ein visuelles Paradox: romantisch und rau, klassisch und kühn – eine Allegorie auf das Wienerische selbst, das zwischen Pracht und Protest oszilliert.
Schauen Sie sich die vollständige Fotostrecke hier an!
Vorheriger Beitrag
Meine große Leidenschaft: die Fotografie
Nächster Beitrag
Dodho Magazin Cover Feature